Viele Jahre – ganze drei Jahrzehnte hat Uli Böckle in der LAV mitgearbeitet und den Verein mitgestaltet. Als Gründungsmitglied, als Vorstand und als Trainer. Vergangenes Jahr wurde er zum Ehrenmitglied ernannt, hat sich aus dem Vorstand zurückgezogen und seit diesem Jahr ist er von seiner Trainertätigkeit zurückgetreten. Im Interview blickt er nochmal auf die vergangenen Jahre, auf Erlebnisse und Erfahrungen in der LAV und mit seinen Athleten.

Es gab tatsächlich eine Zeit vor der LAV. Was hast du vor der LAV gemacht?

Meine Kinder- und Jugendzeit war anfänglich von Turnen und Handball in meinem Heimatdorf Reusten (Ammerbuch), später dann ausschließlich von Handball geprägt. Zusammengefasst waren das 25 Jahre als aktiver Spieler, 16 Jahre als Trainer von den Kleinsten bis hin zu den Aktiven. Zwischendrin hatte ich auch eine fünfjährige Kurzkarriere als Schiedsrichter eingeflochten. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre habe ich auch Geschmack am Laufen gefunden und an dem einen oder anderen Volkslauf teilgenommen. Nach und nach wurde das Laufen umfangreicher und der Handball weniger, Ende der 80er-Jahre kam dann auch Triathlon dazu, den ich einige Jahre leistungsorientiert betrieben habe. Anfang der 90er-Jahre, also noch vor der LAV-Gründung bin ich als Triathlet und Läufer in den Post-SV eingetreten, der damals auch ein Teilverein der Tübinger LG (Leichtathletikgemeinschaft mit dem Post-SV, SV03 Tübingen und dem TV Derendingen) war. Durch den Eintritt in diese LG, dem Vorläufer der LAV, knüpfte ich auch die ersten Kontakte zur Leichtathletik, die über das reine Laufen hinausgingen.

Wie erinnerst du dich an deinen Start mit der LAV? Was war deine Motivation, im Verein voll einzusteigen?

In dem Jahr vor der LAV-Gründung war ich dann schon soweit im Thema, dass ich die Ambitionen von Markus Fendt, Andrea Schneider-Wolf, Frieder Wenk, Roland Friedle – die Liste ist sicherlich unvollständig – direkt miterlebt habe und für mich ohne viel Zögern beschlossen hatte: „Da bin ich dabei.“ Die Vorteile einer Bündelung der kompletten Leichtathletik in Tübingen mit damals über 80.000 Einwohnern konnte nur von Vorteil sein, Nachteile konnte ich nur darin erkennen, dass man bei eingefleischten Vereinsmeiern noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten musste. Das Ergebnis der letzten dreißig Jahre bis hin zur Gegenwart kennen wir alle. Diese Vereinsgründung im Frühjahr 1993 hat für mich dann auch den Übergang vom Handball zur Leichtathletik abgeschlossen.

Welche Stationen hast du als Trainer in der LAV und drumherum gehabt?

Ab Herbst 1995 hatte ich nach einem halben Jahr hilfreicher Einarbeitung, bei der ich von Stefan Jägers Erfahrungsschatz profitieren konnte (er war selber als aktiver Langstreckler in der deutschen Spitze unterwegs) die alleinige Verantwortung für den Tübinger Laufnachwuchs. Die diversen Trainerlehrgänge für die C-Trainerlizenz Leichtathletik habe ich im Folgejahr mit der Prüfung abgeschlossen. 2006 folgte dann die B-Trainerausbildung im Block Lauf. Bereits im Jahr 2000 übernahm ich im Landesverband einen kleinen Zusatzjob als Verbandstrainer und war über insgesamt elf Jahre mitverantwortlich für die Sichtung und Betreuung des F-Kaders (jetzt Talentkader) im Block Lauf. Dazu kamen viele Jahre Betreuung bei Schülerländerkämpfen und bei Lehrgangsmaßnahmen des Landesverbandes für die U18 in Tenero in der Schweiz.

Titel, Bestleistungen und eindrückliche Momente gab es in deiner Karriere einige – woran erinnerst du dich am liebsten zurück?

Schöne Momente gibt es viele, vor allem immer dann, wenn man in zufriedene Gesichter von Läuferinnen und Läufern schaut, die sich über tolle Ergebnisse freuen, sei es eine neue Bestleistung, eine Medaille bei Regionalmeisterschaften bis hin zu einem Treppchenplatz oder einem Sieg bei Deutschen Meisterschaften. Vergessen werde ich sicherlich nicht den DM-Titel von Annika Frank in der U20 über die 3000 Meter, die beiden Mannschaftstitel in der U20 zwei Jahre hintereinander bei den DM-Cross mit Timo Göhler, Clemens Bleistein, Max Krause und Michi Schramm. Dazu auch die EM-Teilnahmen von Jochen Dieckfoß (3000 Meter Hindernis), Clemens Bleistein über die 3000 Meter in der Halle, Annika Frank über die 5000 Meter in der U20 und die nicht gezählten DM-Treppchenplätze und die Starts bei Cross-Europameisterschaften mit Mira Glocker (3x), Timo Göhler, Otto Peetz. In guter Erinnerung bleibt mir auch die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit Jan Helten, der, nachdem die Gruppe Anfang der 2000er Jahre zu groß wurde, mit ins Training einstieg und wir so die Verantwortungsbereiche aufteilen konnten. In dieser Zeit hatten wir teilweise zwischen fünf und zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Deutschen Jugendmeisterschaften, hier besonders in Erinnerung die DM Jugend 2007 in Ulm und im Berliner Olympiastadion 2008 mit einer großen Tübinger Gruppe.

Als Trainer steht man viel am Rand und nicht so oft im Rampenlicht. Man investiert aber auch viele viele Stunden ins Training. Es sind viele Stunden Arbeit, die Athleten und Außenstehende vielleicht gar nicht sehen. Woraus hast du deine Motivation dafür gezogen?

Die Motivation kommt aus der Gruppe, eine stabile und motivierte Trainingsgruppe hat mir immer geholfen, selber auch stabil zu bleiben. Natürlich freut man sich auch über Medaillen, gute Platzierungen und neue Bestleistungen, wenn die Planung und Trainingsgestaltung funktioniert hat, es ist aber auch die Gegenleistung der Trainingsgruppe, die bei Wind und Wetter, bei Kälte oder Hitze im Training präsent ist und damit zeigt, dass die Jungs und Mädels gerne kommen und damit indirekt auch die Trainerarbeit anerkennen. Wenn dann solche Sprüche kommen wie: „War ein hartes Programm. aber es hat Spaß gemacht“, ist auch ein Trainer zufrieden. Erfolge helfen natürlich, aber wenn es auch ohne funktioniert, die Gruppe stabil bleibt, und alle sich gegenseitig auffangen, Trainer eingeschlossen, trotz leider nicht zu vermeidenden Rückschlägen und Misserfolgen, dann bringt das die Energie, die man dafür braucht.

Gibt es auch Dinge, die du heute anders machen würdest?

Es gibt immer wieder Momente, in denen man sein Tun hinterfragt und sich fragt, was hätte man anders/besser machen können. Leider kann man nie hundertprozentig vorhersehen, welche Wirkung eine Saisonplanung, ein Trainingsblock oder auch eine einzelne Trainingseinheit auf Leistungen und Wettkampfergebnisse hat. Aber genau das zieht ein stetiges Lernen und Optimieren nach sich und dazu sollte man als Trainer auch immer bereit sein. Grundsätzlich halte ich eine Selbstreflexion auch für erfahrene Trainer für sehr wichtig – sich ab und zu selbst mal von der Seite zu betrachten. Eine gewisse Experimentierfreudigkeit sollte auch nicht fehlen, aber das Rad muss man dabei nicht neu erfinden. Das war für mich immer eine Art Leitfaden. Aber um die Frage zu beantworten: Im Gesamtrückblick auf die ca. 28 Trainerjahre im Laufbereich würde ich nichts Grundsätzliches anders machen.

Du warst so viele Jahre in der Leichtathletik aktiv – was hat sich im Laufe der Zeit verändert? Was wurde besser und wo siehst du vielleicht auch Themen, bei denen es in der Leichtathletik hakt?

Die Leichtathletik ändert sich ständig, manchmal auch nur im Kleinen. Regeländerungen, Wettkampfkalender, neue Gesichter, neue Ansprechpartner… Wenn ich meine Meinung irgendwo eingebracht habe, musste ich schon das Gefühl haben, dass es auch jemanden interessiert. Aber einmal abgesegnet habe ich Änderungen als gegeben hingenommen und versucht, mich zu arrangieren, vor allem wenn man nichts mehr daran ändern kann. Sich darüber zu ärgern ist brotlos und zieht nur unnötige Energie. Was ich tatsächlich für gut finde, ist die Nachrückmöglichkeit bei Landemeisterschaften, die es seit einigen Jahren gibt und die es möglich macht, auch ohne Norm noch freie Startplätze bis hin zur Kontingentsgrenze aufzufüllen. Darauf hätte man schon viele Jahre vorher kommen können.

Warum hast du dich jetzt zurückgezogen? Was daran fällt vielleicht schwer oder genießt du vor allem die neu gewonnene freie Zeit für dich?

Es ist eine einfache Antwort. Nach jetzt insgesamt 44 Jahren als Trainer (zuerst als Handball-Trainer und dann in der LAV), das sind gut 2/3 meines bisherigen Lebens, sah ich es jetzt einfach an der Zeit, Luft ranzulassen. Im Kopf war es schon etwas länger, aber nachdem ich mit Jan Hoffmann Anfang 2023 erfreulicherweise einen Nachfolger gefunden hatte, den ich auch ein halbes Jahr „einarbeiten“ konnte, fand ich dann zur neuen Saison 2023/2024 meine Trainingsgruppe sehr gut aufgehoben. Das hat mir die Entscheidung deutlich leichter gemacht. Wobei ich an dieser Stelle auch ein Lob an meine (ehemalige) Trainingsgruppe aussprechen muss, sie hat mich die letzten paar Jahre „am Leben“ gehalten. Zusammen mit meinem Renteneintritt im April 2023 hatte ich damit zwei Veränderungen, die mir nun zum einen Entspannung, aber auch viel Chancen für einen neuen Lebensabschnitt bieten, den ich hoffentlich noch lange gesund bestreiten kann.

Auch als Vorstand hast du dich über viele Jahre hinweg im Verein engagiert. Was waren dabei deine Aufgaben? Welche Stationen und Momente sind dir hier besonders in Erinnerung geblieben?

Von 1997 bis 2000 war ich schon einmal für vier Jahre im Vorstand. Damals herrschte das Prinzip: Alle packen mit an, dann wird der individuelle Aufwand überschaubar. Die LAV war damals dabei, sich freizuschwimmen, sich in Tübingen und auch über die Stadt-, Kreis- und Landesgrenzen hinaus einen Namen zu machen. Da steckte viel Dynamik drin. Die Hauptthemen waren damals Veranstaltungen wie zum Beispiel Bahneröffnung mit Mehrkämpfen, Abendsportfest oder Laufmeeting im Sommer und voll verantwortlich der Stadtlauf im Herbst. Vor neun Jahren gab es einen großen Schnitt in der LAV. Nachdem sich der damalige Vorstand größtenteils nicht mehr zur Wahl stellte, war ein neues Team um den neuen Vorstandskandidaten Claus Claussen gefragt, in dem ich mich wieder engagieren wollte. Von 2015 bis 2023 kamen zu den bisherigen vier daher nochmal acht Jahre dazu. In bleibender Erinnerung stehen hier die Soundtrack-Veranstaltungen mit umfangreicher und zeitaufwendiger Vorbereitung und leider auch notwendiger langwieriger Nachbereitung. Daneben wurden wir mit der Corona-Pandemie ordentlich aus der Spur geworfen, was viel Improvisation notwendig gemacht hat, wie bei vielen anderen Vereinen auch. Als jüngstes Projekt steht noch der Schuppenbau im städtischen Stadion, in das ich ab den ersten Planungsschritten mit eingebunden war.

Was machst du jetzt mit deiner neu gewonnenen Freizeit? Wirst du auch weiterhin die Leichtathletik verfolgen?

Natürlich bleibe ich der Leichtathletik verbunden, auch wenn ich vielleicht nicht mehr täglich die einschlägigen Medien verfolge. Auch bei den einen oder anderen Wettkämpfen werde ich mich sicherlich blicken lassen. Des Weiteren befasse mich schon seit einigen Jahren verstärkt mit dem Thema Garten, hier bin ich noch dabei, notwendiges Fachwissen nachzuholen. Auch hier gilt wie im Trainerleben wieder Lernen, Experimentieren, Optimieren und dann im Sommer und Herbst hoffentlich gute Ergebnisse z.B. in Form von schmackhaften Tomaten ernten. Sport wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Hier heißt das Thema Vielseitigkeit: Radfahren, Schwimmen, bisschen Laufen, Skilanglauf, Krafttraining – alles alterstauglich und ohne Wettkampfcharakter. Im Mittel komme ich damit immer noch auf fünf bis sechs Trainingseinheiten in der Woche. Das sollte reichen um so lange wie möglich fit und gesund zu bleiben. Ich brauche, außer bei sehr seltenen Terminen früh am Tag, auch keinen Wecker mehr, das ist ein Luxus, den ich besonders genieße.

Möchtest du noch etwas hinzufügen?

Wenn die „Alten“ auf den verschiedenen Funktionsebenen Platz machen und loslassen für Jüngere, dann bleibt immer die Hoffnung, dass diese einen guten Job machen und den Verein, auch mit neuen Ideen, weiter voranbringen. Dazu wünsche ich alle „Aktivisten“ in der LAV ein gutes Händchen, viel Energie und Stehvermögen, dass die LAV und damit die Leichtathletik weiterhin einen hohen Stellenwert in Tübingen und darüber hinaus hält. Das werde ich mit Interesse und Zuversicht weiterhin verfolgen. Nicht zuletzt bin ich auch froh und dankbar, dass meine Familie immer meine Vereinsaktivitäten unterstützt hat. Ohne diese Toleranz würde so ein ausgiebiges Freizeitengagement nicht funktionieren.